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Les mouchoirs de Kabila

Boulevard d’Ypres

Reminiscences of a Journey to Lithuania

Reminiscences of a Journey to Lithuania
 

Sarah Vanagt

Donnerstag, 28. Oktober 2010

19.00
Little Figures
, Sarah Vanagt, Belgien 2003, 35mm/DV, OmE, 15'
Boulevard d’Ypres
, Sarah Vanagt, Belgien 2010, DV, OmE, 65’

21.30
Carte Blanche
Reminiscences of a Journey to Lithuania, Jonas Mekas, GB/D 1972, 16 mm, OmE, 82’
Vorab: Ausschnitte aus Donkey Room (work in progress) Sarah Vanagt, Belgien 2010, Englisch


Sarah Vanagt (*1976) hat in Antwerpen, Groningen und Brighton Geschichte studiert sowie Film an der National Film and Television School in London. Ihre künstlerische Arbeit besteht aus Dokumentarfilmen, Videoinstallationen und Fotografie. Sie lebt in Brüssel.

 

Mikrohistorie
Das Interesse an Historie, aber auch am Geschichtenerzählen ist ein kennzeichnendes Merkmal ihrer Arbeit. Die belgische Kolonialgeschichte und der erste und zweite Weltkrieg spielen dabei immer wieder eine Rolle, vor allem der spätere Umgang mit solchen kollektiven Erfahrungen, das Erinnern und Vergessen, das Interpretieren und die Formen der Weitergabe von einer Generation an die nächste. In ihrer Empathie für die kleinen Gesten der Erinnerung, für die „Mikrohistorie“, bezieht sie sich explizit auf den Historiker Carlo Ginzburg.

Von 2003 bis 2005 hat Sarah Vanagt mehrere Reisen ins Grenzgebiet zwischen Ruanda und Kongo unternommen. Die dort entstandenen Video-Arbeiten stellen Fragen zu Erinnerung und Geschichtsschreibung vor dem Hintergrund der regionalen Geschichte: der Erblasten der deutschen und belgischen Kolonialherrschaft und der langen Jahre des Bürgerkriegs und des Völkermords. Eine in der Grenzstadt Goma entstandene Gruppe von Arbeiten konzentriert sich vor allem auf die Spiele und Symbolsprache von Kindern.

Der Zwischenzustand, in dem sich die Region befand, weckte die Neugier der Historikerin, wie auch der Filmemacherin in Sarah Vanagt: „Ich bin dorthin gegangen, weil die Geschichtsschreibung in beiden Ländern an einem ähnlichen Punkt war. Etwas ist vorbei, aber es ist noch nichts Neues an dessen Stelle getreten. Wie kann man aber dennoch aus den Fragmenten, die da sind, eine Geschichte erzählen?“

Boulevard d’Ypres
Hier sieht Vanagt eine Parallele zu ihrer jüngsten Arbeit Boulevard d’Ypres, in der sie die Spurensuche in ihrem unmittelbaren Umfeld fortsetzt. Auf dem Boulevard d’Ypres, einer traditionellen Geschäftsstraße Brüssels, haben von Kolonialhandel über Arbeitsmigration bis zur aktuellen Gentrifizierung viele Transformationsprozesse der letzten 150 Jahre ihre Spuren hinterlassen. Das Video reflektiert dies in den Geschichten der Bewohner und Geschäftsleute. Viele dieser Geschichten handeln von Flucht und Exil und werden zum Spiegelbild eines Jahrhunderts der Kriege, an das nicht zuletzt auch der Straßenname erinnert: Ypres, ein Schlachtfeld aus dem Ersten Weltkrieg.

Der assoziative, spielerische Gebrauch, den Sarah Vanagt von Archivbildern und eigenem Material macht, konterkariert die Schwere der Geschichten, (gleichsam) um die Erinnerung der Erzählenden nicht zu ersticken. „Die besten Historiker sind oft die mit der stärksten Vorstellungskraft“, sagt Vanagt in einem Interview. Die leeren oder teilweise geräumten Lagerhallen der Händler sind für sie auch Leerstellen an der Schwelle zwischen Ende und Anfang.

Derzeit arbeitet Sarah Vanagt an einem Film mit dem Arbeitstitel Donkey Room: In einer Seniorenresidenz in Südengland besucht auf Betreiben eines gemeinnützigen Vereins einmal die Woche ein Esel die alten Menschen auf ihren Zimmern. Die physische Anwesenheit des Tieres erleichtert ihnen das Erinnern und Erzählen. Für Sarah Vanagt ist die Dokumentation dieser Besuche Teil ihrer Recherche über praktische Formen, Erinnerungen frei zu legen und mitteilbar zu machen.

Carte Blanche: Reminiscences of a Journey to Lithuania von Jonas Mekas
…nicht nur weil Mekas zu Sarah Vanagts Lieblingsfilmern gehört, sondern auch weil seine Reise zurück in die Vergangenheit und sein Interesse für die kleinen Gesten einen Umgang mit Geschichte (und Film) praktizieren, der für sie Inspiration und Ansporn ist. Mekas ist ein Zeuge des Jahrhunderts, dessen Erben wir heute sind, und nicht zuletzt handelt auch sein Film von einem Dazwischen, dem Ungewissen zwischen Heimat und Exil.

Weitere Informationen zu Sarah Vanagt und ihrer Arbeit: www.balthasar.be

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