Bärbel Schönafinger (kanalB)
Mittwoch, 24. November 2010
19.00
Die Strategie der Strohhalme, Bärbel Schönafinger & kanalB, Deutschland/Indien 2010, DV, OmU, 58’
sowie Ausschnitte aus weiteren Arbeiten des Projekts „Visions of Labor“
21.30
Carte Blanche
Chircales, Marta Rodríguez, Jorge Silva, Kolumbien 1972, 16mm, OmU, 42’
Bärbel Schönafinger ist in Südtirol geboren und hat in Innsbruck und Graz Philosophie studiert. Seit 1997 lebt und arbeitet sie als Dokumentarfilmerin in Berlin. Sie ist Initiatorin und Mitbetreiberin des internet-basierten, videoaktivistischen Projekts kanalB.
kanalB
In seiner über zehnjährigen Geschichte hat sich kanalB von einer Plattform für anarchisches Videomachen zu einem alternativen und nicht-kommerziellen Nachrichtenpool entwickelt. Seit 2001 produziert Bärbel Schönafinger mit der Unterstützung des kanalB-Netzwerks neben den Kurzclips auch längere dokumentarische Filme: zu lateinamerikanischen Kontexten, zu wichtigen Ereignissen der globalisierungskritischen Bewegung sowie zuletzt verstärkt zu Arbeitskämpfen, Prekarisierung und Formen der Selbstorganisation. Über ein Netzwerk von formellen und informellen Gruppen werden diese Filme autonom vertrieben. Punktuell werden sie auch Teil von kuratierten Programmen und der institutionellen Bildungsarbeit, wie etwa der Film Des Wahnsinns letzter Schrei (2005), der im Rahmen des Programms „über arbeiten“ bundesweit in Kinos zu sehen war.
Die Aktivitäten von kanalB stehen auch oft in einem bewusst gewählten Kampagnenzusammenhang, wie etwa der Film Ende der Vertretung (2009), eine Dokumentation über den arbeitsrechtlichen „Fall Emmely“. Der Film trug dazu bei, die gegen „Emmely“ angewandte „Verdachtskündigung“ als ein politisch und moralisch fragwürdiges Rechtsinstrument in die öffentliche Kritik zu bringen.
Eine zentrale Frage ist für Bärbel Schönafinger, wie sich die vom Kapitalismus zugerichteten Menschen die Macht über ihr Leben und ihre Reproduktion zurückholen können, und wie die Filmarbeit sie dabei unterstützen kann. Ihre Arbeit mit und in politischen Bewegungen war gekennzeichnet von der Erfahrung staatlicher Repression, bis hin zur Tötung von politischen Aktivisten, die sie im Lauf ihrer Dreharbeiten kennen gelernt hatte.
„Visions of Labor“
Zuletzt initiierte Bärbel Schönafinger das Projekt „Visions of Labor“. Anhand von Beispielen aus mehreren Ländern und mittels verschiedener Formate – Symposium, Website, Publikation, Dokumentarfilm – untersuchte „Visions of Labor“, wie sich Lohnabhängige effektiv organisieren können. Den mit dem Projekt verknüpften Versuch, allgemeingültige Kriterien für sinnvolle und effektive Organisierung zu finden, betrachtet Bärbel Schönafinger allerdings als gescheitert, „da die viel versprechenden Ansätze in den verschiedenen Ländern und Erdteilen so unterschiedlich sind, dass von gemeinsamen Kriterien nicht die Rede sein kann.“
Im Rahmen von „Der Standpunkt der Aufnahme“ wird Bärbel Schönafinger die separat gebliebenen Teile von „Visions of Labor“ vorstellen und im Zusammenhang ihrer filmischen und aktivistischen Praxis diskutieren. Als längster eigenständiger Film ist in der Region Neu-Delhi Die Strategie der Strohhalme (2010) entstanden. Dessen Kontext beschreibt Bärbel Schönafinger so: „In der Region Neu-Delhi arbeiten vier bis fünf Millionen Industriearbeiterinnen und Industriearbeiter zu Bedingungen der Überausbeutung. Da der ländlichen Bevölkerung Indiens das Überleben immer schwerer gemacht wird, gibt es einen steten Zustrom neuer Arbeitskräfte, der die Menschen in den Fabriken ersetzbar macht und ihre Verhandlungsposition schwächt.“
Im Film kommen 14 Arbeiter/innen und Aktivisten zu Wort, die über ihre prekäre Situation sprechen, aber auch über Formen des selbstorganisierten Widerstands, in denen die autonom produzierte Zeitschrift „Faridabad Workers News“ eine wichtige Rolle spielt.
Als Carte Blanche zeigt Bärbel Schönafinger Chircales (1972) von Marta Rodríguez und Jorge Silva, der den systematischen Zusammenhang zwischen entrechteter Arbeit und Armut am Beispiel von kolumbianischen Ziegelarbeitern dokumentiert. Chircales gilt als einer der ersten klar Partei ergreifenden politischen Dokumentarfilme aus Kolumbien. Ein Klassiker auch des "Third Cinema", das wesentliche Impulse aus den Widerstandbewegungen gegen die lateinamerikanischen Diktaturen der 1960er und 70er Jahre bekam.
www.kanalb.org
www.visions-of-labor.org
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