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Safrana ou le droit à la parole (1977)

Bouba Touré, 58 rue Trousseau, 75011 Paris, France (2008)

Somankidi Coura, Mali

A mãe (2012)

Remanescentes (2013)

Remanescentes (2013)

Cabra marcado para morrer (1964/84)
 

Dienstag, 24. September 2013 - Kino Arsenal
zu Gast: Bouba Touré, Raphaël Grisey

19.00
Bouba Touré, 58 rue Trousseau, 75011 Paris, France Bouba Touré F 2008 DV OmE 28'
Ausschnitte aus: Cooperative Raphaël Grisey F/D 2008 DV OmE
sowie Materialien aus dem Archiv der Kooperative Somankidi Coura in Mali

21.00
Safrana ou le droit à la parole
(Safrana or Freedom of Speech) Sidney Sokhona F/Mauretanien 1978 Beta OmE 99 min

mit freundlicher Unterstützung der Cinémathèque française und des Institut francais, Cinémathèque Afrique

Raphaël Grisey und Bouba Touré präsentieren einen Abend zum politischen Engagement der westafrikanischen Diaspora in Frankreich und zu deren filmischer Selbstdarstellung. In Paris entschloss sich Mitte der 1970er Jahre eine Gruppe aus dem Umfeld der Kulturvereinigung Afrikanischer Arbeiter in Frankreich (ACTAF) der Fabrikarbeit den Rücken zu kehren. Sie zogen aufs Land, gingen bei französischen Bauern in die Lehre gründeten anschließend in Mali die Landkooperative Somankidi Coura. Ihnen widmete der mauritanische Regisseur Sidney Sokhona den Spielfilm Safrana ou le droit à la parole (1977), eine kollektive Arbeit, in der die tatsächlichen Protagonisten zentrale Rollen spielen.

Mitinitiator der Kooperative war der Fotograf Bouba Touré, dessen politisches Engagement auch Film- und Kinoarbeit umfasste. Neben der Arbeit als Filmvorführer hatte Touré bereits in Sokhonas Vorgänger-Film Nationalité: Immigré (1976) mitgewirkt. Sokhonas Filme schlugen eine neue Sprache im Diaspora-Kino an: dezidiert politisch, selbstbewusst und kritisch gegen den Paternalismus, mit der auch viele französische Linke gegenüber Migrant_innen auftraten. Auch die "Cahiers du cinema", die damals ihrerseits um ein zeitgemäßes politisches Profil rangen, interessierten sich für Sidney Sokhonas Arbeit. Nachdem Serge Daney bereits zu Nationalité: Immmigré und Serge Toubiana zu Safrana geschrieben hatten, brachten die "Cahiers" in der Ausgabe 285 ein langes Gespräch zwischen Serge Daney, Jean-Pierre Oudart und Sidney Sokhona, gefolgt von einem Text Sokhonas zur Situation das zeitgenössischen afrikanischen Kinos.

Download "Sidney Sokhona", Cahiers du Cinema No. 285 (PDF)

Work in Progress

In der Videoarbeit Cooperative (2008) geht Raphaël Grisey diesen Geschichtssträngen von politischer Emanzipation, Arbeitskämpfen und filmischer Selbstdarstellung nach. Das Video ist eine Zusammenarbeit mit Bouba Touré und der noch immer existierenden Kooperative "Somankidi Coura". Im Zuge dieser gemeinsamen Arbeit entstand auch Bouba Tourés Kurzfilm Bouba Touré, 58 rue Trousseau, 75011 Paris, France, in dem Touré seine Wohnung zu einem lebendigen Archiv dieser Zeit animiert. Die Kamera ist dabei gleichzeitig Rekorder und verlängerter Arm für eine leidenschaftliche Mischung aus Zeugnis, Plädoyer und Hommage an die Protagonisten afrikanischer Befreiungsbewegungen.

Der Abend im Rahmen von "Der Standpunkt der Aufnahme" dient Grisey und Touré auch zur Standortbestimmung ihrer gemeinsamen Arbeit. Neben den bereits realisierten Videos zeigen sie Fotos und Super-Acht-Aufnahmen aus Bouba Tourés Archiv, die Bestandteil einer weiteren filmischen Zusammenarbeit werden könnten.

Am folgenden Abend, Mittwoch 25. September ab 19.00 Uhr, wird die Diskussion in der Galerie Savvy Contemporary (Richardstraße 20, Berlin-Neukölln) fortgesetzt. Grisey und Touré zeigen hier weiteres Bildmaterial, darunter Ausschnitte aus Sidney Sokhonas erstem Film über die afrikanische Diaspora, Nationalité: Immigré (1976).

 

Mittwoch, 8. Mai 2013 - Kino Arsenal

19.15
A mãe  Raphaël Grisey, Brasilien, D 2012 Video HD 39' OmeU
Remanescentes Raphaël Grisey, Brasilien, D, work in progress, Video HD ca 45' OmeU

21.15 Carte Blanche
Lavra dor Paulo Rufino, Brasilien 1968 35mm 10’ Ome
Cabra marcado para morrer (Ein Mann, zum Sterben bestimmt) Eduardo Coutinho, Brasilien 1984 35mm 119' OmU

In  Raphaël Griseys Videoarbeiten geht es oft um die sichtbare und unsichtbare Geschichte von Orten. Dabei lässt er sich auf Terrains ein, die ihm zunächst mehr oder weniger fremd sind, gibt ihnen und sich Zeit, zu einer Geschichte und einer filmischen Form zu finden. Längere Arbeiten entstehen meist in Kooperation mit denjenigen, die an diesen Orten zuhause sind oder ihre Geschichte kennen. Elemente einer oralen Erinnerungskultur verbinden sich mit einer wachsamen Kameraarbeit, in der sich der Glaube an ein visuelles Gedächtnis und an die stumme Sprache von Dingen und Oberflächen zu verkörpern scheint.

In Griseys Arbeit geht es um die Gleichwertigkeit verschiedener Erzählungen, auch da noch, wo sie im Widerstreit sind; um den Austausch von Perspektiven, der nie ganz gefahrlos ist, wie es der Titel einer seiner letzten Arbeiten, The exchange of perspectives is a dangerous game (2011), nahelegt.

Zuletzt lag Raphaël Griseys Arbeitsschwerpunkt in Brasilien. A mãe (BR, D 2012) ist ein filmisches Portrait des größten Lebensmittelumschlagplatzes Südamerikas, des Großmarkts von São Paolo. Es verbindet die Erzählungen von Menschen, die dort ihren Lebensunterhalt verdienen, mit den Gesten der Arbeit: dem Teilen, Sortieren, Schneiden, dem Laden, Tragen und Warten. Anschließend stellt Grisey sein aktuelles Projekt Remanescentes (AT) als work-in-progress vor und zur Diskussion.

Es geht in dieser Arbeit um "quilombos", afro-brasilianische Gemeinschaften, die einst aus dem Widerstand gegen die Sklaverei hervorgingen. Seit 1988 billigt die brasilianische Verfassung quilombos kollektive Restitutionsrechte zu. Was aber macht eine Community heute zu einer quilombo? Im Kampf gegen Landraub und städtische Verdrängung entdecken immer mehr Kommunen und Stadtviertel ihre zum Teil verschüttete afro-brasilianische Geschichte neu.

Als Carte Blanche zeigt Grisey aus dem Arsenal-Archiv zwei Filme, die von den heftigen Landkonflikten im Nordosten Brasiliens in den 1960er Jahren handeln: Paulo Rufinos kurzen Experimentalfilm Lavra dor (BR 1968) sowie Cabra marcado para morrer (BR 1984), Eduardo Coutinhos Versuch, einen Film, den er 1964 wegen des Militärputschs nicht fertigstellen konnte, 20 Jahre später doch noch zu drehen. Das streckenweise quixotisch anmutende Projekt fördert Brüche und Kontinuitäten einer Geschichte des Widerstands zutage.

www.raphaelgrisey.net